PETER DOTTO
Kunstmaler
Gestalt und Bewegung.
Es dürfte für den aufmerksamen Leser offensichtlich sein, dass es sich bei diesen hier aufgeführten Gedanken einzig um Anregungen zu einer vertieften Betrachtung handeln kann.
Farbe und Form , Gestalt und Bewegung sind hier die Ausgangspunkte der Auseinandersetzung.
Das Auge ist beim Maler das vermittelnde Sinnesorgan. Es selbst nimmt nicht wahr, sondern seine Funktion ist diejenige eines Werkzeuges. Dasjenige was wahrnimmt ist die Instanz unserer
eigenen Wesenheit, welche das Vermittelte , unbestimmte Wahrnehmliche erst strukturiert. Es ist
dies die formgebende Substanz selbst , unser Ich.
Ein helles Grün, welches wir mit dem Pinsel zu Papier bringen ist in seinen quantitativen Bezügen
durch die Begrenzung bestimmt. Die Form finden wir jedoch nirgends in dem Wahrgenommenen, sondern einzig in unserem formbildenden Mitvollzug. Wir können dieses
Experiment an jedem vor uns liegenden Farbklecks ausführen oder auch an einer vor uns liegenden gelben Kugel , indem wir zu erkennen versuchen, was ist Farbe und was ist Form ? Wenn wir konsequent verfahren, so werden wir nirgends in der Wahrnehmung die Form
finden , denn sobald sich ein bestimmter Farbton der Sinneswahrnehmung öffnet, ist dieser
durch seine Begrenzung bestimmt . Diese Begrenzung ist das Ergebnis eines Zusammenhangs,
welcher sich durch die Strukturierung ergibt. Diese ist das Ergebnis unseres aktiven Mitvollzugs.
Zur Verdeutlichung malen wir mit dem Pinsel zwei gleich grosse Flächen auf die vor uns aufge-
stellte Leinwand. Ein Zinnoberrot auf der einen , ein Preussischblau auf der anderen Seite. Beide
sind in ihrer quantitativen Ausdehnung gleich. Trotzdem erleben wir das Rot etwas grösser als
das Blau. Dieses innerlich Beobachtete führt uns vorerst auf das Feld der Subjektivität. Dieses
bestimmte Rot , dieses bestimmte Blau zeigen sich im inneren Erlebnis als ein jeweiliger Aus-
schnitt, als exemplarisches Beispiel der gesamten Rot- oder Blaupalette. Die Übergänge sind
dabei fliessend und trotzdem erleben wir ,wann eine bestimmter Farbton seinen Bereich
verlässt und deshalb nicht mehr als Rot bezeichnet werden kann. Die Unterscheidung ist also
durch die Form bestimmt.
Gestalt und Bewegung haben ihren gemeinsamen Ursprung. Sie sind Grundelemente des
Bildaufbaues. Der Bewusstmachung jeder Gestalt vorausgehenden Bewegungsintention gehört unsere primäre Aufmerksamkeit. Mit dem Erleben des dynamischen Aspektes der Farbe erfahren wir , dass jede Gestalt das Ergebnis eines Bewegungsvorganges ist.
Die Farbbewegung ist also nicht das Ergebnis eines von uns abgekoppelten, vom Ich getrennten Geschehens , sondern wir erkennen uns als Mitbeteiligte . Im Prozess des Malens , im Verfolgen
des Bildaufbaues wird dieses Geschehen in das Licht des Bewusstseins gehoben.
Peter Dotto ( im März 2020 )
Quellenhinweise:
- Herbert Witzenmann: " (1989 ) "Sinn und Sein "
- Rudolf Steiner. ( GA291 " Das Wesen der Farben"